Die Abfrage per Handzeichen unter der Südschnellweg-Brücke war eindeutig: von den etwa 150 Zuhörer*innen des HAZ-Forums meldete sich gerade mal eine Handvoll als Ausbau-Befürworter*innen. Alle anderen waren da, weil sie fest entschlossen sind, dass es so nicht weitergeht, dass Leinemasch BLEIBT.
Die Lage auf dem Podium war anders, nämlich eher 50:50: Den beiden Vertreter*innen von Leinemasch BLEIBT und Tümpel Town standen MdL Martina Machulla von der CDU und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) inhaltlich gegenüber.
Machulla frustrierte mit Argumenten wie dem, dass die anwesenden Menschen ihrer Meinung nach alle bei Amazon einkauften und deshalb den geplanten Ausbau gar nicht ablehnen könnten. Es brauche eine entsprechende Infrastruktur, um solche Gewohnheiten zu ermöglichen. Zumal in der Leinemasch eher minderwertige Bäume herumstünden und der Beschluss nun mal demokratisch gefasst sei.
Olaf Lies machte klar, dass er keineswegs ein klares Niedersächsisches NEIN zu den Verbreiterungsplänen ins verabredete Gespräch mit dem Bundesverkehrsministerium tragen werde, um davon ausgehend nach Lösungen zu suchen. Sondern dass er in Berlin mit den Anwesenden in ein Gespräch auf der Basis des bestehenden Planfeststellungsbeschlusses einsteigen will, um mögliche eher kleinere Spielräume zu suchen, die sich im Rahmen des Beschlusses bewegen und die Brückensanierung nicht gefährdeten.
Eine Sanierung im Bestand bzw in Bestandsbreite ist dagegen klarer Kern unserer Forderung und die Konsequenz aus unserer Kritik an den Plänen. Denn jeder Kompromiss, der die Verbreiterung der Strecke oder deren Erhöhung zulässt, egal in welcher Dimension, führt unweigerlich zur totalen Verwüstung des bewaldeten Damms, auf dem der Südschnellweg verläuft. Eine solche Verwüstung für Ziele, die der Klimarealität und den verbindlichen Kilmazielen insbesondere von Stadt und Region Hannover widersprechen, grundsätzlich aber auch den Zielen Deutschlands, wie sie im Pariser Abkommen festgeschrieben sind, ist nicht hinnehmbar. Klimaneutralität ist nur mit einem mindestens halbierten Afukommen des individuellen motorisierten Verkehrs zu erreichen [Studie Wuppertal Institut 2020]. Stadt und Region Hannover wollen 2035 klimaneutral sein, das Land etwas später. Die Biodiversitäts-Katastrophe in ähnlich existenzieller Dimension wie die Klimaveränderungen ist ein weiterer Grund, kein einziges Biotop mehr vorsätzlich zu zerstören.
… der Tanklaster, der kommt, um den Brand eskalieren zu lassen.
Auf den Punkt gebracht haben wir es in diesem Bild: Die Erde brennt, und die vorliegenden Pläne sind der Tanklaster, der kommt, um den Brand eskalieren zu lassen.
All diese grundsätzlichen Argumente, auch der Verweis auf Artikel 20a GG, dass also der Staat verpflichtet ist, in Verantwortung auch der kommenden Generationen die Lebensgrundlagen zu erhalten, halfen nicht, um die Ebene vermeintlicher Sach- und Bürokratie-Zwänge zu durchbrechen.
Auch die vielen „Realo“-Argumente, die wir entlang des Planfeststellungsverfahrens einbringen konnten, erreichten die Politik nicht. Nicht die Kommunikations-Ignoranz der Straßenbaubehörde beim Rodungsbeginn nahe Tümpel Town und nicht deren zentrale Taktik, hinter der Erfolgsgeschichte „Tunnellösung für die Hildesheimer Straße“ alle anderen Zumutungen und Abstrusitäten der Pläne so lange wir möglich intransparent zu lassen – etwa die acht Jahre [offizielle Darstellung] einspruige Mega-Baustelle, 800 Meter Tunnellänge mit Abfahrt und Behelfsbrücke bereits in der Masch, Erhöhung und damit Zerstörung des Damms, Trockenlegung von Teich-Biotop… auch nicht der Bezug auf alte Verkehrsprognosen für die Planung, und nicht der Verweis auf die Nichtkompatibiltät mit dem Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts, von den Planfeststellungsbehörden selbst dargestellt, konsequenzlos.
Andererseits konnten die „So ist es aber jetzt nun mal“-Argumente aus der Politik unsere existenziell dringlichen nicht aufweichen.
So bleibt das ausgesprochende Rodungsmoratorium für Tümpeltown und den großen Westteil der Leinemasch bis Oktober 23 der eine große Fortschritt. Und dass alle gemeinsam an einem Tisch gestanden und gefroren haben. Ein Besucher hat das Forum auf Twitter zusammengefasst:
„Mit welcher Sorglosigkeit & Ignoranz dem Aussterben politisch immer noch begegnet wird – WTF. Wenn sich nach allen Erkenntnissen – IPCC etc – literally immer noch hinter Planungsbeschlüssen oder Scheinargumenten versteckt wird, wird mir Angst und Bange. „Was, wenn die das nicht im Griff haben?“ Danke an alle Aktivisti & supportende Bürger:innen, ihr seid unglaublich!“
Wir haben diesen Support gestern massiv gespürt! Vielen Dank.
Und das Fazit?
Wir haben gelernt, dass es deutlich zu früh ist zu feiern. Und dass auch an künftigen Runden Tischen die Realität der Menschheitskatastrophen „Klima“ und „Biodiversität“ und die dazu bestehenden Abkommen nur ein paar abzuwägende Argumente unter vielen anderen sein werden.
Es geht weiter.