„Wer seid ihr? Kann ich mitmachen? Und ist das überhaupt erlaubt?!“

Selbstverständnis und Aktionskonsens von Leinemasch BLEIBT (September 2023)

Die Kurzfassung für Eilige:

  • Leinemasch BLEIBT (LmB) ist zweierlei: Wir sind einmal eine lokale Initiative und setzen uns gegen den Ausbau des Südschnellwegs (SSW) und für den Erhalt der Leinemasch ein. Die Leinemasch ist das Landschaftschutzgebiet rund um die Ricklinger Kiesteiche, das für Natur und zur Naherholung in Zeiten der Klimaerhitzung unverzichtbar ist. Wir sind aber auch Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung, die die globale Perspektive auf Verursacher und Leidtragende in der Klimakatastrophe mitdenkt, die für das erforderliche politische Handeln und für Gerechtigkeit kämpft. Außerdem gehören wir dem Wald-statt-Asphalt-Bündnis an, das aus der Besetzung des Dannenröder Forsts gegen die A49 entstanden ist.
  • Ihr seid herzlich eingeladen, euch als Teil von LmB zu verstehen, wenn ihr unsere Werte teilt. Wenn ihr euch direkt anschließen wollt, lernt uns doch bei einer der nächsten Veranstaltungen persönlich kennen.
  • Wir recherchieren, vernetzen, informieren, unterstützen und bieten einen Rahmen für Aktionen. Wir begrüßen dabei alle Formen legitimen Protests, vom Brief über Demos bis zur Besetzung.
  • Leinemasch BLEIBT ruft selbst nicht zu Blockaden und Besetzungen auf.


Und hier die lange Antwort:

Im November 2021 starteten wir, eine handvoll Menschen, Leinemasch BLEIBT. Unser Anliegen: die Absurdität und Zukunftswidrigkeit des geplanten Straßen-Ausbaus sichtbar, und den Widerstand dagegen groß, wirksam und erfolgreich machen.

Wir haben uns nicht gegen die „Tunnellösung“ im Ostabschnitt des Südschnellwegs gestellt, für die dann im Dezember 2022 bereits einige hundert Bäume gefällt wurden. Aber wir stellen uns entschieden gegen die geplante, komplett absurde Verbreiterung und Erhöhung des Straßendammes im Landschaftsschutzgebiet im westlichen Teil und gegen die damit verbundene Zerstörung und die Rodung von weiteren tausenden Bäumen.

In der Rodungssaison 2022/23 konnten wir diese Zerstörung verhindern. Und inzwischen sind wir viele geworden, der Ausbau ist öffentliches Thema. Ab dem 1. Oktober 2023 ist die Leinemasch aber wieder akut rodungsgefährdet. Ein guter Moment, noch einmal zu erklären, was uns viele Menschen gefragt haben:

„Was ist denn Klimagerechtigkeit?“

Es ist wichtig, sich mit den Fakten und Fragen rund um Emissionen, Klimaprognosen und der Energie- und Verkehrswende auseinanderzusetzen. Aber es ist uns auch wichtig, beim Blick auf die katastrophale Lage, in der wir uns befinden, den sozialen, politischen und historischen Kontext einzubeziehen: Wie konnte es soweit kommen? Wer sind die Gewinner, wer verliert am meisten? Wer hat Macht, was ist gerecht? Woher kommen die Geschichten, die wir uns über Erfolg und Leistung erzählen, darüber, was wir selbst „verdient haben“, über „Freiheit“ und ein „gutes Leben“?

Ohne Antworten auf diese Fragen werden wir erfolglos gegen Symptome ankämpfen und leicht Scheinlösungen auf den Leim gehen, ohne die darunter liegenden Probleme zu lösen.

„Gerechtigkeit“ und „Solidarität“ sind die beiden großen Antworten, die die Klimagerechtigkeitsbewegung gibt. Es sind gleichzeitig ihre Forderungen. Daraus folgt auch, dass sie entschieden gegen Faschismus, Rassismus, koloniale Kontinuitäten, Antisemitismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit und andere Formen der Diskriminierung steht. Und gegen den naiven Glauben an unendliches Wachstum – denn es ist klar, dass unbegrenztes Wachstum auf einem begrenzten Planeten tödlich ist. Wir erleben es gerade. Wir distanzieren uns außerdem von Verschwörungsmythen.

„Ist das wichtig für die Leinemasch?“

Für unseren Protest heißt das: Wir setzen uns als Menschen, die hier in Hannover leben, für den Erhalt der Leinemasch als unser Naherholungs- und Landschaftsschutzgebiet ein.

Gleichzeitig sehen wir in den SSW-Ausbauplänen ein typisches Beispiel ungebremster Zerstörung, die sich gegen jede Vernunft und trotz geltender Klimagesetzgebung wie auf Autopilot voranwalzt. Ein Protest in der Leinemasch ist für uns deshalb auch einer für globale Klimagerechtigkeit. Es ist ein Protest, der sich exemplarisch dem Gesamtwahnsinn fortschreitender Vernichtung von Lebensgrundlagen in den Weg stellt. Denn wenn die Leinemasch bleibt, aber der Gesamtwahnsinn nicht endet, ist nichts gewonnen.

„Dann macht ihr auch Besetzungen?“

Das Bündnis gegen den Ausbau des Südschnellwegs hat 2020 eine Petition gestartet, eine Mahnwache gehalten und eine riesige Fahrrad-Demo mitten in der Corona-Zeit organisiert. Wir haben 2021 weitergemacht, es sind Infospaziergänge, Infoabende, Infokanäle, Menschenketten, Soli-Baden, Dauermahnwachen, Pressekonferenzen dazugekommen. Das „Wir“ schließt mittlerweile viele weitere Gruppen in Hannover ein, die sich dem Protest angeschlossen haben. Wir ermutigen alle, die sich mit den oben genannten Werten identifizieren, sich als Teil von Leinemasch BLEIBT zu verstehen und aktiv zu werden. Wie ihr eine Mahnwache oder andere Versammlungen anmeldet, erklären wir beispielsweise hier.

Wir erklären uns ausdrücklich mit der Leinemasch-Besetzung „Tümpeltown” solidarisch. Friedliche Blockaden und Besetzungen machen sichtbar, dass etwas Gewaltsames und Unrechtes geschieht, weil Menschen offensichtlich bereit sind, sehr viel auf sich zu nehmen, um das zu verhindern. Blockaden und Besetzungen treiben den politischen Preis für die Zerstörung von Lebensgrundlagen hoch. Sie sind nicht legal, aber in unserem und in einem verbreiteten rechtsphilosophischen und Rechtsstaats-Verständnis als Formen Zivilen Ungehorsams legitim. Gerade im Kontext der ungebremsten Klimazerstörung.

-> Rechtfertigt der Klimawandel zivilen Ungehorsam? – eine Antwort aus der Philosophie

Für eine völker- und verfassungsrechtskonforme Klimaschutzpolitik – offener Brief von Rechtsprofessor*innen zum Verhältnis von Politik, Protest und Repression.

LeinemaschBleibt ruft – siehe oben – nicht zu Aktionen zivilen Ungehorsams auf. Angesichts des politischen Versagens halten wir sie aber grundsätzlich für legitim und angemessen. Deshalb sind wird solidarisch und verbreiten über unsere Kanäle auch Infos zu solchen Aktionen.
Wir haben zur Orientierung einen beispielhaften Aktionskonsens zusammengestellt, der sich an denen anderer Gruppen orientiert.