InfoTour 2023

Du stehst in der Leinemasch, Smartphone in der Hand, und möchtest verstehen, welche Folgen der geplante Ausbau dort hätte? Aktuell musst du etwas scrollen, QR-Codes für die Masch sind unterwegs!

Die Tour entspricht der Kurzfassung der Info-Spaziergänge, die bis Ende April 23 jeden zweiten Sonntag in den geraden Kalenderwochen stattfinden. Treffpunkt 13.30 Uhr an der Station 1. Hinterm Radtunnel unterm Schnellweg, Döhrener Maschpark:

1 Roden für die Tunnellösung2 Klarer Blick auf Tümpel-Town3 Komplettabriss und zuviel Wasser3b rücksichtsvolle Baustraßen 4 Klimaschutz? Alles Spekulation5 Recht, Gesetz und Climate Justice

Position 1 – Radtunnel / MaWa / „Roden für die Tunnellösung“

Du bist im Radtunnel unter dem Südschnellweg durchgefahren, von Norden kommend. Du blickst in den Maschpark, rechts und links liegen die abgeholzten Dämme.

Genau ab hier wird der künftige SSW künftig langsam nach links unter die Erde verschwinden. Die Schützenallee linkerhand wird er bereits im Tunnel unterqueren. Autofahrer*innen, die von rechts, vom Landwehrkreisel kommen, werden hier vor Tunnelbeginn eine Abfahrtspur bekommen. Bis der Tunnel fertig ist, muss die marode Hochbrücke über der Hildesheimer Straße ersetzt werden durch eine Behelfsbrücke. Diese Behelfsbrücke wird ebenfalls rechts von dir beginnen – etwa da, wo jetzt keine Bäume mehr stehen. Allerdings auf der anderen Seite des Damms.

Aufwand und Erdbewegungen für diesen Tunnel sind irrsinnig. Und das Ziel kann auch nicht sein, Verkehr unter die Erde zu bringen, wo er kurz mal nicht stört. Das Ziel der Verkehrswende ist es, diesen Verkehr massiv einzuschränken. Aber wir haben unseren Protest von Anfang an nur auf die Verbreiterung des SSW gerichtet, daher haben wir die Rodung für den Tunnel hingenommen.

Die Dämme wurden am 5. und 6. Dezember 2022 gerodet. Fünf Hundertschaften Polizei hatten diesen Bereich großräumig abgesperrt und ausgeleuchtet, damit die Harvester ungestört die Bäume pflücken konnten.

Der Radtunnel als Querung des SSW wird ersatzlos wegfallen.


Position 2 – Klarer Blick auf Tümpel Town

Vor dir die Leinebrücke des Südschnellwegs, rechts von dir der Tümpel …

… der eigentlich erst seit dem 4. Oktober 22 so heißt, seit dem offiziellen Beginn der Rodungssaison und der Besetzung: Als Namensgeber für Tümpel Town, also für das Baumhausdorf dort.

Der Tümpel würde ohne die Besetzung, die auch einen Streifen direkt am Schnellweg vor der Rodung bewahrt hat, wahrscheinlich nicht mehr existieren, denn er ist als Baustelleneinrichtungsfläche vorgesehen (auf dem Plan unten das gelbe Dreieck links von der roten Punktlinie). Du würdest hier keine Bäume mehr sehen und der Teich wäre mittlerweile kampfmittelgeräumt und geleert und womöglich schon neu verfüllt.

Die Besetzung ist in den Tagen vor offiziellem Rodungsbeginn unerkannt erfolgt – Anfang Oktober war hier alles dicht und grün. Sie wurde von Menschen der Ende Gelände Ortsgruppe initiiert, Leinemasch BLEIBT unterstützte und unterstützt sie unter anderem bei der Versorgung und mit der Mahnwache, die zwei Monate lang rund um Uhr im Einsatz war.

Besetzungen verzögern nicht nur auf unmittelbare Weise Zerstörung, sie schaffen so auch den Raum für neue Möglichkeiten und Perspektiven. Und sie sind Orte, an denen Solidarität und eine andere Art des Miteinanders gelebt wird.

Rodungsflächen am Südschnellweg. Quelle: Webseite der Landesstraßenbauer – Rote Markierungen hinzugefügt (MaWa und Rodungsgrenze für „Tunnellösung“)


Position 3 – Zwischen Blauer Brücke und Dreiecksteich: Komplettabriss und zuviel Drecksbrühe

Du kommst über die Blaue Brücke und gehst ein paar Schritte vor auf die Badewiese, vor dir liegt der Dreiecksteich und dahinter der Südschnellweg.

Wäre die weitere Rodung nicht bis Oktober 2023 ausgesetzt worden, gäbe es in diesem Abschnitt keine bewaldeten Dämme mehr. Weder an den nördlichen (hier) noch südlichen Flanken der Strecke.

Erst im Frühsommer 2022 erwähnte es die Landesstraßenbaubehörde: Der Südschnellweg soll auch erhöht werden. Es würde gar nicht ein Streifen Straße an eine bestehende Straße drangebaut, es würde in zwei Etappen erst eine Hälfte der Strecke komplett abgerissen, der Damm massiv angeschüttet, dann oben drauf einen Meter höher neu asphaltiert und dann für den Verkehr freigegeben. Dann würde die noch niedrige alte Hälfte abgerissen, der Damm dort auf die neue Höhe und die neue Gesamtbreite gebracht – zehn Meter breiter – und dann der große neue Teil der Straße obendrauf asphaltiert.

Die Landesstraßenbaubehörde nennt diesen Komplettabriss inklusive Komplettrodung und komplettem Neubau der fast verdoppelten Straßenfläche „Sanierung“ und „Hochwasserschutz“.

Hochwasserschutz? Auch der Eingang zum Tunnel liegt im Hochwassergebiet. Schwer vorstellbar, dass der nicht ohnehin längst geflutet wäre, wenn der Damm in der alten Höhe unter Wasser stehen würde.

Hochwasserschutz? Hier direkt am Dreiecksteich müssten auch Bäume gefällt und große Bereiche versiegelt werden für eine sogenannte Retentionsbodenfilteranlage (RBF). In diese Anlage würde der Niederschlag geleitet und dort gefiltert werden, der auf den beiden verbreiterten Brücken (über Leine und Ricklinger Teich) niederginge und unter anderem mit Reifenabrieb verdreckt wäre.

Andere Niederschläge würden nicht gefiltert oder versickert. Auf der künftig nahezu doppelt so großen versiegelten Straßenfläche würde sich vielmehr doppelt so viel verdrecktes Regenwasser sammeln – flutartiger Regen wegen der Klimakatastrophe nimmt übrigens zu. Hier passiert das Gegenteil von Hochwasserschutz.


Position 3b – Zwischen Dreiecksteich und SSW-Damm: rücksichtsvolle Baustraßen

Du folgst dem Radweg, links der Südschnellweg, rechts Liegewiese und Dreiecksteich, bis etwa zur Mitte.

Auf der Karte der Landesstraßenbaubehörde oben kannst du erkennen, dass hier Baustraßen eingezeichnet sind. In der interaktiven Version erfährst du:

„Der Baustellenverkehr soll in der Regel nicht über die Geh- und Radwege in der Leinemasch fahren – aus diesem Grund werden parallel zum Südschnellweg Baustraßen errichtet, auf denen sich die Baufahrzeuge bewegen können, ohne die Erholungssuchenden in der Leinemasch zu stören.“

An dieser Stelle ein herzliches Danke! Da können wir in den nächsten Jahren entspannt den Rad- und Fußweg nutzen. Auf der einen Seite der gerodete, zerwühlte Damm mit Baustellenverkehrschaos obendrauf, auf der anderen Seite die Schwerlaster und Asphaltier-Fahrzeuge, zwischendrin glücklich wir auf unserem vier Meter breiten, idyllischen Weg, ungestört Erholung findend.


Position 4 – Zehn Meter hinter der Brücke: alles weg! Klimaschutz ist Spekulation!

Unter der Brücke hindurchgehen, am Ende 10 Meterschritte abzählen und dort stehenbleiben.

Der SSW soll von aktuell 16,4 m Breite auf 25,6 m Breite ausgebaut und damit fast 10 Meter breiter werden. Das heißt, alles, was sich jetzt zwischen dir und der Brücke befindet, würde künftig unter der neuen Brücke stehen.

Der Planung liegt ein steigendes Verkehrsaufkommen zu Grunde. Im Planfestellungsverfahren wird zwar die Notwendigkeit einer Verkehrswende zur Kenntnis genommen, aber gleichzeitig gesagt, dass es reine Spekulation ist, dass das wirklich geschieht. Das genaue Zitat findest du hier – weitere haarsträubende gibt’s in der Kategorie „Best of Planfeststellung“ nachzulesen. Es gab natürlich Einwendungen gegen die Planfeststellung. Sie wurden genau mit mit solchen „Alles Spekulation!“-Argumenten abgewiesen.

Der Brückenaufleger könnte an dieser Stelle gar nicht genug verbreitert werden – er würde im Wasser stehen. Daher wird die Brücke einfach deutlich länger geplant, der Aufleger würde Richtung Land verschoben, die Dämme hier ebenso, der Radweg auch. Wenn du den SSW entlangschaust, hier an der Südseite, an der der Damm auch noch um zehn Meter versetzt würde, hast du eine Idee, welche Zerstörung hier bevorstünde.

EXKURS: Wie sollen die Brücken nach aktuellem Stand gebaut werden? Nach der Rodung soll zunächst der südliche Teil der neuen Brücke gebaut und anschließend der Verkehr auf diese umgeleitet werden. Dann wird die bestehende alte Brücke abgerissen und der neue nördliche Teil gebaut. Zum Schluss wird der südliche Teil an den nördlichen herangeschoben.

Unsere Forderung ist, auch die Brücken im Bestand zu sanieren.

Verbreiterung der Brücken über Ricklinger Teich und Leine laut Planfeststellungsverfahren (Erläuterungsbericht Abbildung 143 und 148 ); oben: der neue Südteil (grün) wird errichtet – Mitte: der neue Teil wird einspurig befahren, die alte Brücke wird abgerissen und neu gebaut (grün) – unten: der Südteil wird herangerückt.


Position 5 – FKK-Wiese: Recht, Gesetz & Climate Justice!

Hier stehst du auf der FKK-Wiese am Sieben-Meter-Teich. Noch ist Platz. Die Interaktive Karte zeigt dir, wie weit das Bauprojekt diesen Ort zurückdrängen und zerstören würde.

Dieser alte Südschnellweg wurde ab 1954 gebaut. Er ist also 70 Jahre alt. Für eine solche Zeitspanne würde auch ein neuer SSW Fakten schaffen, Fakten für den Verkehr, Fakten für oder gegen die Verkehrswende, für oder gegen einen Umgang mit der Klimakatastrophe.

Die Welle im vergangenen Jahr – Spaziergänge, Auflärung, Öffentlichkeit und Besetzung – hat dazu geführt, dass die Verbreiterung des SSW Thema im Niedersächsichen Wahlkampf war, Erwähnung im Koaltionsvertrag fand, dass die Rodung vorerst ausgesetzt ist und bereits ein Termin des Landes-Verkehrsministeriums mit dem Bundesverkehrsministerium und weiteren Menschen in Berlin stattgefunden hat – der sogenannte Runde Tisch, der weiter tag, bei dem wir dabei sind.

Entscheidend muss auch dort Klimagerechtigkeit sein. Wir reden über Infrastruktur, die gebaute Realität bis 2100 darstellen würde. Das ist die Lebenszeit der jetzt geborenen Kinder.

  • Von den rund 70 Jahren Lebensdauer der neuen Infrastruktur entfallen 55 auf eine Zeit der notwendigen und vom Bund beschlossenen Klimaneutralität. Einer Klimaneutralität, die noch dazu zu spät kommt, um das verbindlich verabschiedete Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Für letzteres brauchen wir die Halbierung des Autoverkehrs. Studie!
  • Diesen Straßen-Verbreiterungsplan dennoch umsetzen zu wollen, ist ein Bruch mit den eigenen Zielen, ein Bruch mit dem Grundgesetz (Artikel 20a GG – Erhalt von Lebensgrundlagen für künftige Generationen), es ist ein Verbrechen an unseren Kindern und den Menschen, die schon längst ihre Lebensgrundlagen an die Klimakatastrophe verloren haben.

Deshalb werden wir weiterhin alles daran setzen, das zu verhindern.

Wir freuen uns, wenn du dabei bist.

Diese Geschichte ist im Konjunktiv erzählt. Denn wir können sie noch ändern. Und wir werden sie noch ändern: Leinemasch BLEIBT! 💙