Eilantrag abgewiesen

Gemeinsame Erklärung der Klimagerechtigkeits-Bewegung Hannover: der Protest geht weiter

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat heute – Freitag, den 4. März 22 – einen Eilantrag gegen den geplanten Ausbau des Südschnellwegs durch das Landschaftsschutzgebiet Leinemasch in Hannover abgewiesen. Für die Baumaßnahmen erforderliche Rodungen fänden – unabhängig von einer noch nicht behandelten Klage – bis Oktober außerhalb der regulären Rodungszeit statt.

In dieser Situation erklären wir, die unterzeichnenden Gruppen:

„Unser Protest geht unvermindert weiter.

Denn das Festhalten an fossilen Verkehrskonzepten zulasten von Biodiversität und Klimaschutz missachtet und zerstört Zukunft und Freiheitsrechte der jüngeren Generationen. Es führt schon jetzt zu Leid und Flucht und tötet Menschen – vor allem im Globalen Süden.

Das ist eine Tatsache. Bestätigt vom Bundesverfassungsgericht und mit der Weltklimawissenschaft (IPCC) im Rücken. Diese Tatsache, die mit einem dramatisch engen zeitlichen Handlungsspielraum verbunden ist, bestärkt uns in unserem Widerstand gegen diesen Ausbau. Sie bestärkt uns auch dann, wenn ein Verwaltungsgericht feststellt, dass das Planfeststellungsverfahren gesetzeskonform sei – denn die Planfeststellung bezieht sich auf Regelwerke, in denen Klimaschutz-Ziele gar nicht vorkommen, sondern Klima lediglich „erwähnt“ werden muss, und die damit selbst nicht verfassungskonform sein können.

Neue Verkehrsinfrastruktur schafft Fakten für Jahrzehnte.

Deshalb fordern wir ein sofortiges Moratorium, um alle Straßenausbau- und -neubaupläne auszusetzen. So lange, bis in allen entsprechenden Regelwerken und Genehmigungsverfahren die Ziele zum Klimaschutz und zur Klimagerechtigkeit verbindlich verankert sind.

Diese Ziele müssen insbesondere konform sein mit Verfassungsrecht („Klimaurteil“ vom April 2021), mit dem Grundgesetz (Artikel 20a – Verantwortung für kommende Generationen) und mit dem völkerrechtlich beschlossenen Abkommen von Paris 2015. Sie müssen absolute Priorität haben.

Denn Physik verhandelt nicht. Klima verhandelt nicht. Die Grenzen planetarer Kapazitäten verhandeln nicht.

Was dagegen dringend verhandelt werden muss: dass Menschen noch auf die Idee kommen, neue Standstreifen und mehr Flächenversiegelung für mehr Verkehr in einem Landschaftsschutzgebiet überhaupt in Betracht zu ziehen.

Unser Protest geht weiter.“

Leinemasch BLEIBT
Ende Gelände Hannover
Fridays for Future Hannover
Students for Future Hannover
Chico Mendes Hannover
Extinction Rebellion Hannover
BUNDjugend Hannover
Interventionistische Linke Hannover
Seebrücke Hannover 
Parents for Future Hannover
Grüne Jugend Hannover

Women defend Rojava Hannover
Psychologists4Future Hannover
Grandparents For Future Hannover
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Hintergrund Leinemasch BLEIBT

Von November bis Ende Februar (Ende der Rodungssaison) hat Leinemasch BLEIBT sonntags direkt vor Ort über die Rodungs- und Ausbaupläne informiert, die das Naherholungsgebiet für mindestens sechs Jahre zur absurden Großbaustelle für einen zehn Meter breiteren Schnellweg machen würden. Viele Akteur*innen haben sich angeschlossen – etwa FFF mit einer Menschenkette und die BUNDjugend mit einer Eisbade-Aktion. Allein in den letzten vier Wochen waren mehr als 750 Menschen beteiligt. Mittlerweile können Spaziergänger*innen über QR Codes an der Strecke über ihr Smartphone jederzeit auf entsprechende Infos zur geplanten Zerstörung zugreifen. (https://leinemaschbleibt.de/infotour)

Leinemasch BLEIBT ist Teil des Klimagerechtigkeits-Netzwerks „Wald statt Asphalt“, das aus dem Protest gegen die A49 durch den Dannenröder Forst in Hessen entstanden ist und Proteste bundesweit und international verbindet.

Hintergrund Bündnis gegen den Ausbau des Südschnellwegs

Das Bündnis gegen den Ausbau des Südschnellwegs, dem Rad-, Umwelt- und Klimabewegungen und -vereine aus Hannover angehören, hatte bereits im Juni 2021 zu einer Raddemo aufgerufen: Rund 3000 Menschen folgten dem Aufruf mit ihren Rädern und bildeten einen zwei Kilometer langen Tross über den Südschnellweg. Oberbürgermeister Belit Onay hatte sich in seiner Ansprache hinter ihr Anliegen gestellt. Für die Klagen und Eilanträge gegen den Planfeststellungsbeschluss konnte das Bündnis innerhalb weniger Wochen 25.000 Euro für die Prozesskosten einsammeln. Die Petition des Bündnisses haben bis heute rund 13.000 Menschen unterzeichnet. (Unterzeichnen noch möglich!)
https://weact.campact.de/petitions/keine-autobahn-durch-die-leinemasch

Hintergrund: Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des SSW

Ausgehend von maroden Brücken auf der Strecke des Südschnellwegs soll deren Sanierung dazu missbraucht werden, die Strecke auszubauen. Den Planungen liegt die Annahme eines steigenden Verkehrsaufkommen zugrunde und das Ziel, dass der SSW „langfristig in die Lage versetzt werden sollte, Umleitungsverkehr der A2 aufzunehmen“. Planung und Ausführung liegen bei der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr. Die Region hatte Ende September 2021 den Plänen durch Abschluss des Planfeststellungsverfahrens zugestimmt, obwohl mehrere Einwendungen auf die Unvereinbarkeit mit Klimaschutzvorgaben und die mit der angestrebten Verkehrswende inkompatiblen Prognosen des Verkehrsaufkommens hingewiesen hatten. Gegen diese Zustimmung richteten sich die Klagen und die zugehörigen Eilanträge.

Quellen

Planfeststellungsbeschluss SSW ohne Klimaschutz – zwei Auszüge aus dem Beschluss:
(Seite 84 f) „Die Regelung des KSG [Anm.: Klimaschutzgesetz], insbesondere § 13, löst keine strikte Beachtenspflicht aus. Ihr kommt auch kein besonderes Gewicht im Sinne eines Optimierungsgebots zu. Vielmehr sind Klimaschutzbelange in die Abwägung einzubeziehen, können also zugunsten anderer Belange auch zurückgestellt werden.“

(Seite 150)Lediglich die spekulative Annahme, dass durch eine erfolgreiche Verkehrswende die Anzahl der motorisierten Fahrzeuge auf deutschen Straßen insgesamt stark rückläufig sein wird, könnte die prognostizierte Verkehrsbelastung so weit reduzieren, dass eine Planung nach RAL mit einem RQ 21 zulässig würde. Zzt. fehlt es aber an verlässlichen Anzeichen, dass dieser Prozess wirklich in Gang kommt.“

IPCC Bericht vom 28. Februar 2022 – im dpa-Bericht
„Bis zu 3,6 Milliarden Menschen leben dem Weltklimarat zufolge bereits in einem besonders vom Klimawandel gefährdeten Umfeld. Die Auswirkungen, die wir heute sehen, treten viel schneller auf und sind zerstörerischer und weitreichender als vor 20 Jahren erwartet“, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Bericht des Weltklimarates (IPCC) zu den Folgen des Klimawandels. Weitere Menschen, die in ihrer Heimat kein Auskommen mehr haben, würden zur Migration gezwungen. Die Regierungen täten noch lange nicht genug, um die schlimmsten Gefahren abzuwenden.

Der Klimarat verlangt fundamentale gesellschaftliche Veränderungen. Die Energie müsse sauber, die Wegwerfmentalität beseitigt werden. Städte und Landwirtschaft müssten nachhaltig und die Mobilität verändert werden: mehr Rad- statt Autofahren, mehr Zugfahren statt Fliegen.

zur Gesetzeslage:

„Klimaurteil“ des Bundesverfassungsgerichts
„Zwar müsste CO2-relevanter Freiheitsgebrauch, um den Klimawandel anzuhalten, ohnehin irgendwann im Wesentlichen unterbunden werden, weil sich die Erderwärmung nur stoppen lässt, wenn die anthropogene CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre nicht mehr weiter steigt. Ein umfangreicher Verbrauch des CO2-Budgets schon bis 2030 verschärft jedoch das Risiko schwerwiegender Freiheitseinbußen,“ (2021)

Wortlaut GG Artikel 20a
„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung […]“

Das Übereinkommen von Paris
„Artikel 2 – (1) Dieses Übereinkommen zielt darauf ab, […] dass
a) der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, da erkannt wurde, dass dies die Risiken und Auswirkungen der Klimaänderungen erheblich verringern würde;[…]
(2) Dieses Übereinkommen wird als Ausdruck der Gerechtigkeit und des Grundsatzes der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten angesichts der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten durchgeführt. (2015)

BUND-Rechtsgutachten: Bundesverkehrswegeplan ist verfassungswidrig – neue Bundesregierung muss Fernstraßenbau sofort stoppen
„Es ist auch nicht erkennbar, dass eine Einhaltung der Minderungsziele für den Verkehrssektor bei Realisierung der im Bundesverkehrswegeplan vorgesehenen Straßenprojekte gelingen kann.“
[Hinweis: der ursprünglich geplante sechsspurige SSW-Ausbau ist selbst im BVWP, der laut Studie bereits verfassungswidrig ist, mangels Priorität „durchgefallen“ – die aktuell geplante Verbreiterung um zehn Meter läuft nun unter reiner Sanierung.]
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LeinemaschBLEIBT
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Eindrücke vergangener Infospaziergänge (Credit: Sebastian Blume):
https://www.picdrop.com/sebastianblumephotography/qdbVK6RovD
https://www.picdrop.com/sebastianblumephotography/T8NXLNhaVH