Der Runde Tisch zum Südschnellweg – Chronologie

Kann – und will – der von Verkehrsminister Lies installierte „Runde Tisch“ eine Lösung finden für das aus der Zeit gefallene Vorhaben, den Südschnellweg zu verbreitern und dafür das Landschaftsschutzgebiet zu zerstören?

[fortlaufend aktualisiert, letztes Update: 07. Juni 23]

15. November 2022

Am Abend des 15. Novembers lädt das Büro von Minister Olaf Lies per Mail zum Runden Tisch ein, für den übernächsten Tag, den 17. November, am frühen Nachmittag.

Leinemasch BLEIBT sagt mit einem Offenen Brief ab, erklärt aber grundsätzlich Gesprächsbereitschaft.

In diesem Brief äußern wir unsere Zweifel daran, dass das Angebot zum Austausch ernst gemeint ist. Warum? Beim vorausgegangenen, spontanen Besuch von u.a. Minister Lies und Landesstraßenbau-Präsident Oehlmann im Baumhausdorf Tümpeltown argumentierten sie: Da die besetzten Bäume für die Behelfsbrücke über die Hildesheimer Straße gerodet werden müssten, und sich der Protest nicht gegen Tunnellösung und Behelfsbrücke richte, könnten die Aktivisti auch sofort die Baumhäuser verlassen. Als „Belohnung“ war die Teilnahme an einer Delegation nach Berlin angeboten worden, zu Verhandlungen mit Verkehrsminister Wissing.
[Tatsächlich hätte der Bereich – etwa einen Kilometer von der Hildesheimer Straße entfernt – für diese Tunnel-Lösung gerodet werden sollen. Damit hat zu dem Zeitpunkt weder LmB noch offenbar die Öffentlichkeit gerechnet, was sicherlich im Interesse der Straßenbaubehörde lag.]


29. November 2022 – Rodung im Westen ausgesetzt

Minister Lies informiert in einer ausführlichen Mail mit großem Verteiler über den Stand der Dinge. Am Tag zuvor hatte er ein zweites Mal mit den Besetzer*innen in Tümpeltown gesprochen und ihnen zugesagt, dass Tümpeltown in der laufenden Rodungssaison NICHT gerodet werde – ebenso wenig wie alle weiteren westlich liegenden Bereiche. Er kündigte den Termin des Runden Tisches mit dem Bundesverkehrsministeriums in Berlin für den 22.12.22 an.


9. Dezember 2023 – HAZ-Forum mit Olaf Lies und uns

Am 5. und 6. Dezember fand die Rodung für die „Tunnellösung“ statt, am 9. Dezember diskutieren Leinemasch BLEIBT und Ende Gelände beim HAZ-Forum unter der Schnellwegbrücke mit Olaf Lies und Martina Machulla, Landtagsmitglied für die CDU. Es wird deutlich, dass die Delegation, die nach Berlin fahren wird, dies nicht mit dem klaren Anliegen tun wird, beim Bund für eine reine Sanierung im Bestand einzutreten.


22. Dezember 2023 – Runder Tisch in Berlin

Beim Runden Tisch in Berlin mit meht als 20 Beteiligten – darunter auch Unternehmensvertreter*innen, die nach Plan ausbauen wollen – sind für Leinemasch BLEIBT zwei Vertreter*innen dabei. Am gleichen Tag noch gibt es eine Pressemitteilung des Wirtschafsministeriums und eine Leinemasch BLEIBT Pressemitteilung.

In ersterer steht der Hoffnung machende Absatz „Grundsätzlich müssen wir Verkehrsplanung dynamischer denken. Aufgrund der langen Planungszeiten sind viele Projekte, wenn sie Baureife erreichen, mitunter schon über zehn Jahre alt. In diesen Zeiträumen kann sich aber Verkehr ganz anders entwickeln als bei der Aufnahme von Planungen angenommen. Hier befinden wir uns an einem Wendepunkt von Verkehrsplanung. Wir müssen die Ziele der Mobilitätswende, der Verkehrssicherheit und des Verkehrsflusses wie auch die Klimaziele auf Augenhöhe bringen.“

Bei der Aufzählung der zehn Fragen, die, so ist vorgesehen, in einer Expert*innenrunde ab Anfang Januar geklärt werden sollen, finden sich die Worte „Klima“ oder „Verkehrswende“ allerdings nicht wieder.

In der Mitteilung von Leinemasch BLEIBT wird dagegen als Erfolg besonders herausgehoben, dass ein Punkt „Klimakompatibilität“ auf LmB-Vorschlag während der Runde auf die Frageliste aufgenommen wurde. Grundsätzlich dominiert bei uns die Skepsis, dass der Planfeststellungsbeschluss als solcher als gesetzt betrachtet wird, anders als verbindliche Klimaziele im Verkehrssektor, die für uns ein viel höheres Rechtsgut darstellen und unverhandelbar sind.

Der Aufforderung, uns bis Anfang Januar zu melden, wenn wir als „kritsiche Begleiter*innen“ in dieser Expertenrunde teilnehmen wollen, sind wir am 28. Dezember nachgekommen. Bekamen allerdings eine Abwesenheitsinfo mit Datum 6. Januar.


6. Januar 2023 Mail vom Ministerium mit Runde-Tisch-Ergebnis

Das Ministerium verschickt eine Zusammenfassung des Runden Tisches in Berlin an die Teilnehmer*innen. Sie enthält auch eine veränderte Liste der zu prüfenden Fragen. Dort ist nun auch der von uns geforderte Punkt als letzter der Liste aufgeführt: „Wie werden in der Planung bzw. dem Planfeststellungsbeschluss die Klimaziele und das dazu vom Bundesverfassungsgericht ergangene Urteil berücksichtigt?“. Es wird erneut auf die Anmeldefrist für die Expert*innenrunde (bis Anfang Januar) hingewiesen. Maximal drei „kritische Begleiter*innen“ seien vorgesehen.


8. Januar 2023 – Unser Vorschlag für die Expert*innenrunde: „Lasst uns mit Klimarealität beginnen“

Wir schlagen vor, die Expert*innenrunde mit einem gemeinsamen Update zu klimabedingten Auswirkungen auf die Zukunft zu beginnen. Hier der Text der Mail, die an den großen „Runde-Tisch“-Verteiler ging, zu dem auch Olaf Lies, Steffen Krach (Regionspräsident, SPD) und Belit Onay (Oberbürgermeister, die Grünen) gehören. Es gibt darauf keine Antwort.


9. Januar 2023 – Kein Lebenszeichen

Aus der HAZ erfahren wir, dass die Expert*innenrunde in der Woche ab dem 16. Januar ihre Arbeit aufnimmt. Weder wir als Leinemasch BLEIBT noch das Bündnis gegen den Ausbau des Südschnellwegs haben – trotz expliziter Bitte – bisher eine Rückmeldung auf unsere Meldung für die Teilnahme an der Expert*innenrunde bekommen.


18. Januar 2023 – Wir sind im Expertenkreis!

Das haben wir offenbar nicht unserer Expertise sondern unserer Pünktlichkeit zu verdanken, denn …

„Für diesen Expertenkreis haben Sie sich als Teilnehmer angemeldet. Da die Anzahl der Anmeldungen die vorgesehene Größenordnung der Expertenrunde übersteigt, erfolgt die Berücksichtigung der Anmeldungen nach dem Anmeldeeingang. Ich freue mich Ihnen heute mitteilen zu können, dass Sie zum Kreis der Teilnehmenden gehören werden.“

Die Runde soll am 26. Januar 2023 ab 14 Uhr tagen. Eine Einladung soll folgen.


23. Januar 2023 – Es gibt eine Einladung, eine Teilnehmerliste und eine Tagesordnung!

Die ist nicht an Leinemasch BLEIBT gerichtet, sondern an eine* der beiden Runde-Tisch-Teilnehmer*innen von uns direkt mit persönlicher Einladung und dem Hinweis, dass nach Reihenfolge der Anmeldungen entschieden wurde – die Anmeldung allerdings war für beide Personen in einer Mail vom Leinemasch-BLEIBT-Account erfolgt. Merkwürdiger Stil. Dieser Reihenfolgen-Logik übrigens sind unserer Freund*innen vom Bündnis gegen den Ausbau des Südschnellwegs zum Opfer gefallen. Sie haben keinen Platz in der Expert*innenrunde bekommen.


26. Januar 2023 – Erstes Expert*innentreffen

Es war das erste von insgesamt vier Expert*innentreffen. Eingeladen vom Niedersächsischen Verkehrsministerium sollten Juristen und Ingenieure der Landesstraßenbaubehörde und des Verkehrsministeriums, „kritische Begleiter*innen“, vehemente „Durchziehen!“-Befürworter*innen und Vertreter*innen aus Stadt, Land und Bund über zwölf sogenannte Prüfaufträge zur umstrittenen Erhöhung und Verbreiterung des Südschnellwegs beraten. Diese Aufträge waren Ende Dezember beim Runden Tisch in Berlin formuliert worden.

Bei diesem ersten Treffen standen viele Prozessfragen auf der Agenda. Den inhaltlichen Spielraum bewertet Jonas, der für Leinemasch BLEIBT dabei war, als eng: „Grundsätzlich ist da diese Prämisse gesetzt: Änderungen denkbar nur im Rahmen des bestehenden Planfeststellungsbeschlusses, der Beschluss selbst wird nicht angefasst. Leinemasch BLEIBT war der einzige anwesende Akteur, der verbindliche Klimaziele und die damit verbundene Verkehrswende als klar höheres Rechtsgut ansieht und verteidigt.“

Was haben wir gelernt?
Wenn von „wesentlichen Änderungen“ die Rede ist, dann bezieht sich das auf die Änderungen im Bezug zum Planfeststellungsbeschluss, nicht im Bezug auf den Ist-Zustand. Das heißt: Eine minimalinvasive Sanierung im Bestand, die Leinemasch BLEIBT fordert, wäre vermutlich eine extrem wesentliche Änderung – weil die geplante komplette Verbreiterung und Erhöhung dann wegfällt und so zehn Meter weniger Ausbau und eben keine Maximalzerstörung der Dämme geschehen würde.

Bei den weiteren drei Expert*innen-Runden, die letzte findet am 23. Februar statt, wird es um die inhaltliche Auseinandersetzung zu Fragen wie Verkehrsfluss, Dauer der Baustelle, Erhöhung des Damms gehen und welche nicht-wesentlichen Änderungen im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses umsetzbar sind; dank Jonas steht nun explizit auch die konkrete Frage auf der Agenda, wie sich der Planfeststellungsbeschluss mit politisch und rechtlich verbindlichen Klimazielen vereinbaren lässt.

Die Kostenexplosion von ursprünglich veranschlagten 360 Millionen Euro auf schon jetzt 580 Millionen scheint beim Südschnellweg keine Rolle zu spielen. Vom Bund hieß es, Kostenreduktion durch Planänderungen sei natürlich willkommen – aber es sei genügend Geld für den Ausbau verfügbar.


16. März 2023 – Ausstieg aus der Expert*innenrunde

An 4 Terminen im Januar und Februar sollte die Expert*innenrunde 12 Prüfpunkte besprechen. In diesen Gesprächen hat sich deutlich gezeigt, dass es keine gemeinsame Diskussionsgrundlage in der Runde gibt. Es konnte sich nicht einmal darauf verständigt werden, dass der Ausbau des Südschnellweg gegen gesetzlich verankerte Klimaziele verstößt. Wir steigen daher bis auf Weiteres aus der Expert*innenrunde aus, da wir nicht überzeugt sind, dass es von Verkehrsministerium und Landesstraßenbaubehörde aktuell ein ernsthaftes Interesse gibt, die Klima-Auswirkung bei der Projektüberprüfung zu berücksichtigen. Unsere gesamte Erklärung dazu gibt es hier.


06. Juni 2023 – Zweiter Termin in Berlin und Ende des Rundes Tisches

Unser Ausstieg aus der Expert*innenrunde sorgte zwar für einiges mediales Aufsehen, aber von Seiten der Politik wurde auf unsere Kritik am Verfahren nicht eingegangen. Entsprechend gering waren unsere Erwartungen an das zweite Treffen des runden Tisches in Berlin. Hingefahren sind wir dennoch, weil wir verhindern wollten, dass Minister Olaf Lies minimale Änderungen als Erfolg verkaufen kann. Und wir hatten noch etwas im Gepäck: Die Aussagen der Fachanwältin für Verwaltungsrecht Dr. Franziska Heß, dass

  1. Der Verzicht auf ein Teil des planfestgestellten Vorhabens durch den Vorhabenträger [..] grundsätzlich immer möglich [ist].
  2. Die Reduzierung des Querschnitts einer Straße von 26,5 auf 21 Meter [..] kein aufwändiges neues Planfeststellungsverfahren mit langwieriger Öffentlichkeitsbeteiligung [erfordert]. Hier kommt ein Planverzicht oder ein deutlich rascher zu erledigendes Plangenehmigungsverfahren in Betracht.
  3. [..] rechtlich nichts dagegen [spricht], für den Ostteil des Schnellwegs in die Ausführungsplanung zu gehen und zugleich eine Änderung für den Westteil des Vorhabens zu diskutieren und zu planen.

Minister Lies hatte aber nicht einmal Greenwashing Maßnahmen wie mehr Ausgleichspflanzungen im Angebot. Der Runde Tisch endet ohne ein klimapolitisches Ergebnis.


Wie es nun für uns weitergeht: Unsere Reaktion auf die Ergebnisse vom Runden Tisch.